Archiv für den Monat Februar 2024

Entschuldige

Der Mond hing an seinem Platz. Hoch oben am Himmel und ist komplett rund. Es war Vollmond. An diesem Abend war er besonders hell und auch sah man sein freundliches Gesicht. Direkt unter dem Mond sah man eine große grüne Rasenfläche, die vom Nebel bedeckt wurde. Wie ein Schleier lag er über den Rasen, doch das Grün, der Grashalme, schienen so stark durch den Nebel, als ob die Rasenfläche ein eigenes Licht hätte. Das satte Grün von unten und von oben das wunderbare warme weiß vom Nebel. Trotz der Lichtverhältnisse und des Nebels, der sich langsam über dem Boden bewegte, sah es nicht so gruselig aus, wie in manchen Horrorfilmen, nein, die Situation hatte sogar was beruhigendes an sich.

Der Mond bewegte sich ein wenig über die Grünfläche. Man könnte meinen, er suchte was. Langsam, wie ein Scheinwerferstrahl, glitt der Mond über die Wiese, bis er langsam einen Baum fand, der alleine dort auf dem großen Grundstück steht. Davor eine kleine Bank, die auch schon aussah, als würde sie gleich auseinanderfallen. Der Mond bewegte sich nicht mehr weiter. Er stand auf einmal still und sein Licht fiel nur noch auf die Bank und auf den Baum. Dieser war riesig und so perfekt in der Form, wie man einen Baum sonst nie sieht. Als ob der Mond gesehen hätte, dass er nicht alles mit seinem Licht trifft, verbreitete er seinen Lichtstrahl. Nun war das Licht so breit, dass man denken konnte, der Baum und der Bank seine die Hauptdarsteller auf einer Bühne

Eine Sekunde später war es auf einmal dunkel. Kein Licht, nichts war mehr zu sehen.
Was war geschehen, es ist doch keine Wolke am Himmel, die den Mond abdecken konnte?
Doch der Mond war dunkel, als ob Magie mit im Spiel gewesen wäre oder hat der Mond was gesehen und erschrak so doll, dass er vor Schreck das Licht ausschaltete? Auch das brillante Grün, war nicht mehr zu sehen. Alles war erloschen und es war dunkel.

Ein paar Wimpernschläge später, ein Flackern in der Ferne.
Erst sah man ein kleines Licht in der Ferne. Dieses kleine flackernde Licht blieb aber nicht lange alleine. Vier, fünf, nein sieben kleine Lichter, kamen dazu und überquerten die dunkle Wiese. Sie waren wohl nur auf der Durchreise, denn sie hatten es nicht eilig und auch flogen sie eine gerade Linie, so als hätten sie ein genaues Ziel. Sie flogen Richtung Baum.

Auf einmal hielt der etwas größere Lichtpunkt an und die anderen kleineren Punkte taten das selbige, doch sie hielten nicht nur an, es sah sogar so aus, als würden sie sich langsam wieder von dem Baum entfernen. Sie sammelten sich und die kleinen Punkte wurden zu einem etwas größeren Lichtpunkt. Gemeinsam flogen sie in der Formation zum Baum. Die Lichter wurden ein wenig dunkler, sodass der Baum nur leicht von unten beleuchtet wurde.

Da, ein Schatten. Die Lichter fingen an zu flackern und gingen nach kurzen Flackern komplett aus. Es wurde wieder dunkel. Zur gleichen Zeit wurde es auch still, so als hätte jemand den Ton ausgeschaltet. Kein Wind, keine Tiere, nichts war mehr zu hören. Ungefähr eine Minute lang war es totenstille, als hätte man die Zeit angehalten.

Dann ein leiser Ton, doch sehr gut zu hören. Es war ein leises Wimmern. Unterm Baum wurde es langsam heller und man erkannte, dass die Lichter, kleine Engel waren, die sich bis eben nicht zu erkennen gegeben hatten. Jetzt waren sie zu sehen, in ihrer vollen Pracht und schauten nach oben. Nach oben zu einer Gestalt, die vorhin diesen einen Schatten gegeben hatte. Diese Gestalt war ein Mensch, ein Mann. Er bewegte sich nicht mehr. Selbst der Galgen, den er sich um seinen Hals gehängt hatte, hing nur noch still da. Die Engel weinten leise und auch ihr Licht, was normalerweise hell erleuchtete, war wie mit einem Dimmer wieder dunkler gestellt worden, so als wäre nur noch eine Kerze angezündet, die unter dem Baum flackerte.
Ein Engel versuchte sich die Haltung zu bewahren und bewegte sich langsam zu diesem Mann. Dieser schaute noch einmal genauer hin, wollte wahrscheinlich noch einmal sicher gehen, dass sie sich nicht geirrt haben. Beim genaueren Hinschauen fiel dem Engel ein Zettel auf. Mit zittrigen Händen, ergriff der Engel diesen Zettel, entfaltete diesen und nun zitterten nicht nur die Hände, sondern auch der ganze Körper. Sein Licht flackerte so schnell, wie er auch zitterte. Er versuchte, sich zu beruhigen. Nach mehreren Atemzügen schaffte der Engel sich zu beruhigen. Nachdem er sich langsam beruhigt hatte, leuchtete sein Licht auch ein wenig heller, sodass er den Brief laut vorlesen konnte.

Liebe Engel,

es fällt mir schwer, euch diese Worte zu schreiben, aber meine Zeit ist gekommen, und ich finde keine andere Möglichkeit, sie mit euch zu teilen. Vielleicht bin ich zu feige, euch dies persönlich zu sagen, aber ich hoffe, ihr könnt verstehen, dass es für mich keine andere Möglichkeit mehr gab, als diese.

Ihr wart immer an meiner Seite, egal wann und wo, und habt mir in den verschiedensten Situationen geholfen. Selbst bei den kleinsten Dingen standet ihr mir bei. Ihr wart meine Beschützer, und auf euch konnte ich mich immer verlassen. Selbst wenn ihr nicht rechtzeitig an Ort und Stelle sein konntet, versuchtet ihr zumindest, aufzuräumen, ohne dass ich etwas sagen musste. Ich war zutiefst dankbar, dass es euch gab. Obwohl ich immer wieder „Danke“ sagte, spürte ich, dass diese Worte nicht reichten.

Mein Gewissen sagte immer wieder zu mir, dass ihr mehr verdient habt als ein einfaches „Danke“. Ich habe nach Möglichkeiten gesucht, euch etwas zurückzugeben, aber je mehr ich es versuchte, desto mehr brauchte ich euch wieder. Mein Gewissen wurde so laut, dass ich euch kaum noch hörte. Ich konnte euch nicht mehr erreichen, und auch andere Menschen versuchten, mit mir zu sprechen, doch bei diesem Lärm und der Unruhe musste ich einfach die Reißleine ziehen, es war einfach nicht mehr auszuhalten.

Es tut mir unendlich leid, dass ich euch nichts geben konnte. Ich habe versucht, euch nicht auszubeuten, aber es klappte einfach nicht, euch auch was zu geben. Jetzt gehe ich diesen einen Weg, weil ich keinen andern mehr sehe. Bitte, bitte liebe Beschützer, seid nicht traurig oder sauer auf mich. Versucht zu verstehen, dass dies meine Entscheidung war, und dass ich hoffe, dass es euch gutgehen wird. Ihr seid frei, und ich hoffe, dass ihr die Ruhe oder das findet, was ihr braucht.

Danke für alles, meine lieben Engel.

Mit schwerem Herzen euer ……

Der Engel, der diesen Brief vorlas, konnte nicht mehr seinen Namen laut vorlesen. Er war erschöpft, traurig und enttäuscht. Die anderen Engel, die zugehört hatten, waren entsetzt, von dem, was sie hörten.
Ihre Lebensaufgabe war auf einmal nicht mehr da. Was sollten sie jetzt nur machen, denn so eine Situation kannten sie nicht. Alle schauten sich ratlos an, versuchten zu verstehen, was passiert war. Sie setzen sich in einen Kreis unter der Gestalt. Sie dimmten ihr Licht immer weiter herunter, so weit, dass man schließlich nur noch das leise Weinen der acht Engel hörte.